Berlin Man 2014 – Never stop racing

Triathlon ist für mich neben dem gesundheitlichen Aspekt vor allem Spaß und Freude an der Bewegung. Nach Spaß sah dieser Wettkampfsonntag zumindest aus Wettersicht nicht aus. Nun gehöre ich wahrlich nicht zu den Schön-Wetter-Sportlern. Allerdings sollten für einen optimalen Wettkampf die Bedingungen optimal sein. Waren sie aber nicht.

berlinmanNeben dem Regen war auch die Wechselzone kein Highlight unseres Sports. Der sandige Waldboden war mit Matten ausgelegt, die leider durch das schlechte Wetter bereits am Morgen verdreckt waren. Sand und Regen setzten sich am Material fest und an den Rad- und Laufschuhen.

Wie auch immer, es war der Saisonhöhepunkt und der geplante letzte Wettkampf der 2014er Saison. 4 Jahre nach und etliche Kilo mehr seit der Challenge Roth, hatte ich dank meiner sportverrückten Cousins ein Jahr lang gut trainiert und auch an Gewicht verloren. Immer wieder hat mich der Ausblick auf diesen Wettkampf dazu motiviert, in meinem engen Terminkalender Platz für eine Trainingseinheit zu finden. Ich war sicherlich nicht in Topform was den Speed betraf. Durch die Wettkämpfe in Frühjahr und Sommer und meine lange Erfahrung wusste ich aber, dass ich die Kondition für den Wettkampf habe.

Meine Strategie war einfach. Mein Startslot war nach meinen Cousins, die in der Gruppe vor mir starteten. Ich wusste über meine Schwimmstärke und wollte unbedingt vor den Jungs zum ersten Wechsel kommen, beim Rad dranbleiben und beim Laufen raushauen, was noch da wäre.
Kurz vor dem Start gingen wir gemeinsam die Stufen zum Wannsee hinab. Ich wünschte den Jungs viel Erfolg und sah zu, wie ihre Startgruppe auf die Strecke ging.

Dann war es für mich soweit. Der Start erfolgte im Wasser und ich kam glänzend los. Dank meiner neuen Schwimmbrille hatte ich eine exzellente Sicht. Für die geplanten 2,2 Kilometer lag meine Zielzeit unter 44 Minuten. Ich fand einen guten Rhythmus und machte ordentlich Tempo. Es dauerte bis zur Hälfte des Schwimmens, bis ich die letzten Schwimmer der Startgruppe vor mir eingeholt hatte. Zum Ende der Strecke wurden es dann immer mehr. Ich wusste nicht, wo die Jungs stecken. Ich hatte sie im Wasser nicht gesehen. Selbst wenn man dicht zusammen schwimmt, ist es nicht einfach, jemanden zu erkennen.

Ich kam ans Ufer, Blick auf die Uhr. 46 Minuten. Ich lag hinter meinem Zeitplan. Ich war gut geschwommen, also musste die Strecke länger gewesen sein. Ob durch Messfehler oder Schlenker meinerseits – egal. Dann fast hundert Stufen zur Wechselzone hoch und ab zum ersten Wechsel. Die Räder der Jungs standen noch da. Ich war also wie geplant deutlich schneller unterwegs. Beim Wechsel zum Rad dann das erste Problem. Die Klettverschlüsse der Radschuhe gingen nicht richtig zu. Regen und Sand hatten sich festgesetzt. Egal, rauf aufs Rad und die 90 Kilometer in Angriff genommen.

Ich machte ordentlich Speed. Und kam nicht weit. Ich kämpfte mit den Schuhen, als ich an die erste Abzweigung kam. Ich war unkonzentriert, bekam die Kurve nicht und fuhr in die Zuschauer. Absteigen, zurück auf die Straße und weiter. Auf der ersten Runde versuchte ich nun meinen Rhythmus zu finden. Es gelang mir bis zum ersten Anstieg. Das Regen-Sandgemisch, das mir schon bei den Schuhen Probleme bereitete, schien auch beim Umwerfer ganze Arbeit zu leisten. Ich konnte nicht auf den kleinen Kranz vorne wechseln. Ich stoppte und half per Hand nach. Die ganze Saison ohne Probleme, war dieser Defekt gerade jetzt nervend. Vier Radrunden mit giftigen Anstiegen – ich musste das Problem in den Griff bekommen.

Ich stoppte an einer günstigen Stelle und besah mir das Ganze. Ich konnte nichts finden und fuhr weiter. Ich erwog meine Optionen. Den großen Kranz brauchte ich für die langen schnellen Passagen. Also blieb mir nur die Möglichkeit,  mit diesem auch die Anstiege hochzufahren. So ging ich in die zweite Runde.

Es zeigte sich, dass der Anstieg mit diesem Problem sehr hart war. Ich kämpfte mit der Technik statt mit dem Berg. In diesem Moment – ja so muss man es wohl sagen – flog sh an mir vorbei. Ich wollte trotz Defekt an ihm dranbleiben und auf den flachen Streckenabschnitten angreifen.

Doch dazu kam es nicht. Ich weiß nicht, lag es an den Schuhen, am Umwerfer oder war die Straße glatt – jedenfalls fuhr ich in einem Moment den Anstieg hinauf und im nächsten fand ich mich quer zur Fahrbahn wieder und raste die steile Böschung hinab. Ein umgestürzter Baum lag im Weg, ich knallte dagegen und flog über den Lenker. Ich flog auf einen weiteren Baum zu und dachte mir: gleich tut es weh. Es tat weh, als ich mit voller Wucht mit der linken Seite auf den Baum krachte. Aus. Das Rennen ist aus, dachte ich. Schmerz mischte sich mit Wut, Wut dass keiner der direkt hinter mir gefahrenen Sportler anhielt und schaute, was los war. Die Böschung war von oben nicht einsehbar. Hätte ich mir den Kopf angeschlagen, wer weiß, wann man mich gefunden hätte. So fluchte ich lautstark und stieg mit meinem Rad die Böschung hinauf.

Oben angekommen setzte ich mich auf die Straße. Plötzlich hatte ich riesigen Hunger auf Spaghetti. Aus heutiger Sicht scheint es mir fast so, als dass all mein Adrenalin, all meine Energie im Moment des Sturzes einen Schutzschirm gebildet haben und dann völlig verbraucht waren. Letztendlich hatte ich großes Glück. Ein kleiner Ast an meiner Aufprallstelle hätte mir ernsthafte Verletzungen zufügen können.

Ich saß also auf der Straße. ah fuhr vorbei und rief mir etwas zu, dass ich nicht verstand. Nach einer ganzen Weile stand ich auf.  Ich besah mein Rad. Der Lenker war verbogen und voller Sand. Ich bog ihn gerade. Meine Flaschen und Gels lagen noch unten.  Ich stieg hinab, um sie zu holen. Noch mehr Sand. Was sollte ich tun? Zurück zur Wechselzone waren es bestimmt 10 Kilometer,  zu weit zum Laufen. Ein Sportler hielt an und fragte, ob alles ok sei. Ich sah ordentlich angeschlagen aus, aber es gab keine blutende offene Wunde. Genau in diesem Moment traf ich meine Entscheidung. Ich nahm einige Energiegels zu mir und stieg wieder aufs Rad. Es ging schwer, aber es ging, denn ich hatte keine offenen Wunden. Ich würde nicht aufgeben. Trotz Schmerzen fuhr ich weiter. An der Wasserstation hielt ich an. Mit drei Flaschen Wasser spülte ich den Rennlenker sauber und fuhr weiter. Erst in der letzten Radrunde hatte ich wieder einen vernünftigen Energiepegel. Weit abgeschlagen, aber nicht als Letzter, kam ich zum zweiten Wechsel.

20 Kilometer laufen ist schon anstrengend genug. Aber nach dem Sturz waren sie besonders hart. Ich fand einen Rhythmus, bei dem ich nur wenig Schmerzen hatte. Nicht schnell, aber konstant lief ich die Strecke. Ich hoffte, unterwegs die Jungs zu treffen, sah aber keinen der beiden. Mir war klar, dass Platzierungen heute unwichtig waren, ich wollte ankommen und es mir selbst beweisen, dass ich mich nicht unterkriegen lasse.

Nach über 6,5 Stunden kam ich dann ins Ziel. Zerschunden und platt, aber froh es geschafft zu haben. ah war um die 40 Minuten schneller, den hätte ich auch bei optimalem Wettkampf nicht geschlagen. Aber von sh trennten mich nur zwei Minuten. Kein guter Wettkampf, aber ich habe bewiesen, dass ich niemand bin, der einfach aufgibt. Never stop racing. Im Sport und im Leben.

2015 werden die Karten neu gemischt. Einen Platz nach vorne zu kommen sollte möglich sein. Und die Bürde der #1 – des Favoriten – liegt dann bei ah.

Bildquelle: (c) dastridream.de

 

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