Eines vorweg – das war mit Abstand das härteste Rennen, dass ich je absolviert habe. Körperlich und vor allem mental hat mich kein anderer Wettkampf bisher so gefordert.
Doch der Reihe nach.
Anreise an den wunderschönen Chiemsee erfolgte bereits Freitag, da für den Wettkampf ein Vorabend Check-In für Samstag angesagt war. Da wir uns keinen Stress machen wollten, buchten wir einen Tag länger.
Die Jungs holten mich vom Büro ab und gemeinsam gingen wir einkaufen. Die Speisereihenfolge hatten wir bereits im Vorfeld geklärt:
- Freitag: Grillen
- Samstag: Nudeln
- Sonntag: Pellkartoffeln
Was soll ich sagen: es war ein perfekter Männerausflug. Unsere Frauen hatten noch Salate beigesteuert und wir haben uns die Bäuche so richtig vollgeschlagen.
Samstag sind wir früh aufgestanden und haben uns die Radstrecke – 40 Kilometer – angeschaut. An einigen Stellen war Split auf der Strecke, was wir dem Team auch mitteilten. Und die CST Mannschaft hielt Wort. Sonntag waren diese wenigen Stellen auch gesäubert. Klasse Job.
Samstag Rad Check-In. Es war Regen angesagt, aber das Wetter war wunderschön. Wir haben trotzdem die Räder verpackt, Avon hatte Material dabei.
Nach einem längeren TV Abend ging es dann gegen 23 Uhr ins Bett, nur um wenig später von einem heftigen Gewitter geweckt zu werden. Sturzfluten von Wasser liefen die Straße hinab und ich musste an mein Rad denken, dass einsam mit zirka 600 weiteren Rädern in der Wechselzone stand. (Wenn ich jetzt so daran denke – mein Bike mit seinen 21 Jahren war bestimmt das älteste Rad auf dem Platz und hat den jungen Carbon-Dingern sicherlich Trost und warme Worte gespendet).
Sonntag früh, die Straßen trockneten ab, Svon holte Semmeln und wir machten uns nach dem Frühstück auf zum Start. Zunächst wurden in der Wechselzone die Räder klar gemacht, die Wechselbeutel aufgehängt und frühzeitig zum Start gewechselt. Das erlaubte uns ungefähr 20 Minuten Einschwimmen. Die Temperatur war nach dem ersten Schock ok, aber das Wasser war wirklich sehr wellig.
Beim Rauskommen habe ich mich dann an einem Stein geschnitten. Ich blutete heftig und leckte das Blut von der Hand. Avon meinte “Blutdoping”. Wie auch immer, die Chiemseehaie ließen mich in Ruhe und dieser “Patzer” war auch der einzige an diesem Tag. Denn dieser Sonntag sollte perfekt werden.
Schwimmen
0900. Der Startschuss. Es war recht voll am Start, da es nur eine Welle für die Athleten gab. Es war leider auch kein echter Wasserstart, wir standen bis zu den Knien im Wasser. Auf Grund der Steine war der Start nicht so optimal, das sollte man in der Zukunft ändern.
Dann die ersten 300 Meter, diese waren echt hart. Ich fand keinen Rhythmus wegen der vielen Wellen und Sportler. Doch dann habe ich an Svon und Avon gedacht und mir gesagt, auch die Jungs müssen da durch und für die wird es vielleicht noch härter. Und irgendwie fand ich dann wie beflügelt meinen Rhythmus und es lief plötzlich.
Der Rückweg war super. Die Uhr stoppte bei 39 Minuten. Erstes Teilziel unterboten. Das stärkte meine Motivation und ich war total happy. Wie sich später herausstellte, war das Schwimmen heuer der Schlüssel zum Erfolg. Mit fast zwanzig Minuten lag ich vorn. Diese konnte ich der Wechselzone durch einen guten Wechsel um weitere 1,5 Minuten ausbauen und rauf ging es auf die Radstrecke.
Radfahren
Zwei Runden a 40 Kilometer. Mein Training zahlte sich aus und die erste Runde bin ich deutlich über einem 30er Schnitt gefahren. Jedem Fotografen zeigte ich meinen Zeigefinger. Bis hierhin #1. Ich war auf dem gleichen Tempo wie in Ingolstadt.
Doch ab Kilometer 55 merkte ich, dass mir das Training auf den langen Strecken fehlte. Plötzlich tauchten in der zweiten Runde Berge auf, wo vorher nur flache Hügel waren. Ab Kilometer 60 dachte ich bei jedem Radfahrer, der von hinten kam, es wäre Avon. Über Svon machte ich mir keine Gedanken, vertraute ich doch darauf, ihn im Fall der Fälle auf der Laufstrecke wieder einzuholen. Aber Avon? Flöge der vorbei, wäre es das gewesen – zu groß seine läuferische Klasse in diesem Jahr.
Doch dann endlich die Erleichterung. Als es bergab auf die letzten 5 Kilometer ging, wusste ich, dass ich als erster wechseln würde. Gedacht – getan. In der Ergebnisliste sieht man, dass Avon meinen Vorsprung fast halbiert und auch einen schnelleren Wechsel hingelegt hatte.
Meine Beine waren schwer, ich war eindeutig am oberen Limit gefahren. Doch noch lag ich vorn. Und das gab mir einen Extraschub auf der ersten der vier zu laufenden 5 Kilometer Runden.
Laufen
Die Sonne knallte vom Himmel. Es wurde schwül heiß. In der eigentlich kühlen Waldpassage hatten die Jungs vom CST einen fiesen Anstieg eingebaut; hier war Spaziergang angesagt um nicht zu platzen. Die Beine liefen, doch fühlte sich das Laufen sehr schwer und langsam an. Ich war weit weg von meinen Sub 6 Minuten pro Kilometer, aber mehr war nicht drin.
In der zweiten Runde dann sah ich Svon. Er ging und fing kurz vor mir wieder an zu laufen. Rückblickend glaube ich: Das war die Schlüsselszene in diesem Wettkampf. Ich mobilisierte alle Reserven. Lief zu ihm auf. Wechselte ein paar Worte und zog davon. Den Berg hoch ohne zu bremsen. Wie Svon berichtet, war es für ihn unfassbar, wie leicht ich den Berg hochlief. Das hatte ihn so beeindruckt, dass er Avon später etwas von 3 Kilometern Vorsprung erzählte. Und die gaben ihm einen Knacks, wie er berichtete.
Nun, während des Wettkampfes wusste ich davon natürlich nichts. Ich kannte keine Abstände. Ich drehte mich auch nicht um. Ich schleppte mich einfach über den Kurs. Bei jedem Läufer, der von hinten kam, rechnete ich mit Avon. Dieser Druck war gigantisch und stieg mit jedem Kilometer. Je näher ich dem Ziel kam, desto härter musste ich kämpfen, nicht stehenzubleiben. Ich konnte es praktisch fühlen, wie Avon näher kam. Alle Rechnungen waren schon längst Makulatur, denn bei meinem langsamen Kilometerschnitt hätte er mich längst überholen müssen. Noch zwei Kilometer vor dem Ziel rechnete ich mit dem Angriff von hinten. So hart aus mentaler Sicht war nicht einmal Roth 2010.
Wie auch immer, ich suchte mir kleine Highlights. Die Verpflegungsstation. Die Kilometerschilder. Die lange abfallende Gerade bei Kilometer 4 und die Zuschauer mit dem Wasserschlauch bei Kilometer 3 (Hammer! Das war echt super von Euch, zumal es, kleiner Kritikpunkt, keine Schwämme auf der Strecke gab).
Und dann kam Kilometer 19. Noch einen Kilometer vorher lag ein gigantischer Druck auf mir, doch nun wusste ich, dass ich es schaffen würde. Hinter mir war ein gelber Läufer, aber nicht Avon. Und dahinter – nichts. Ih zog nochmal an, ließ den anderen Läufer aber passieren um den Zielkanal für mich zu haben.
Ich lief die letzten 20 Meter Rückwärts über die Ziellinie. Als erster aus dem Team. Ich war am Ende und konnte es nicht glauben, dass ich es geschafft hatte mit dieser langsamen Laufzeit vorn zu bleiben. Keine vier Minuten nach mir kam dann Avon. Mein Vorsprung hatte gereicht, mein Kampf bis zum letzten Meter hatte sich gelohnt.
Alles an diesem Tag lief sehr gut für mich. Die Wellen im Wasser, mein Rad perfekt ohne das kleinste Problem in diesem Jahr, die Hitze beim Laufen, die ich von Ingolstadt kannte. Ich war total am Ende und dennoch happy.
Mir ist klar, dass ich unter anderen Wetter- und Streckenbedingungen auch in diesem Jahr nicht ganz vorne gelandet wäre. Und Avons Kampfansage für 2016 ist da nur folgerichtig.
Andererseits muss es auch solche Tage, wo es einfach perfekt läuft und die Moral belohnt wird.
Ich freue mich auf 2016! Wie sehen bei unserer nächsten Mittelstrecke.
Bildquelle: (c) dastridream.de
Bildquelle der Sportler: (c) Marathon-Photos.com
Respekt, das hast du dir verdient!